Montag, 22. September 2008

4 Forts an 4 Tagen entlang der Westcoast

Über das letzte Wochenende Ausflug entlang der Westküste mit Stine. Start in Accra Richtung Takoradi, der drittgrößten Stadt Ghanas. Die Fahrt ab Accra zeigt mal wieder das Reisen in Ghana mehr als nur Transport von einer Stadt in die andre ist, immer hat man was zu tun, was zu erzählen, langweilig wird’s nie.

Nummer 53 und „war with the driver“

So sitzt links neben mir Patrik, nach wenigen Minuten Plaudern über Ghana, Germany, mein Piercing (Hat das eigentlich weh getan? Nein.) oder sonstige spannende Themen fragt er nach meiner Handynummer, da er selbst kein Handy hat, möchte ich sie aufschreiben, er drückt mir ein Notizbuch in die Hand, voller Telefonnummern, doch keine zugehörigen Namen. Nachdem ich meine Nummer eingetragen habe, begutachtet er das Buch zählt ab und ich verstehe sein System. Da er weder Lesen noch Schreiben kann, merkt er sich die Nummern der Reihenfolge nach. So bin ich nun Nummer 53 in seinem Buch und ich bin gespannt auf seinen Anruf.
Rechter Hand ein ruhigerer Mitfahrer. Bis auf das obligatorische Grüßen beim Einsteigen des Trotros haben wir uns nicht viel zu sagen, er schläft bis wir Cape Coast erreichen, oder vielmehr bis wir an Cape Coast vorbeifahren. Dies sein eigentliches Ziel, doch hat er vergessen, dem Fahrer Bescheid zu geben. Seine Forderung nun: „Fahrer, lass mich an der nächsten Kreuzung raus und zahl mir den Rücktransport nach Cape Coast!“ Damit bringt er nicht nur den Fahrer, sondern den gesamten Bus zum Lachen. Verzweifelt versucht er mich auf seine Seite zu ziehen: „I’m in war with the driver, will you support me?“ Nee, sorry da kann ich echt nix machen, fluchend steigt er an der nächsten Kreuzung aus und wird wohl auf der Fahrt nach Cape Coast kein Nickerchen machen.

Ein König für 2€

Sonntagabend in Dixcove mit Blick vom Strand auf Großfriedrichsburg


Das eigentlich historische und kulturelle Ziel unsrer Reise: Besuch der Forts und Castles, die von den Kolonialmächten zum Sklaventransport genutzt wurden. Castles gibt es reichlich entlang der Westküste. Wir entscheiden uns für Großfriedrichsburg, eine der zwei deutschen Burgen in Ghana, 1683 von Preußen gebaut und im Fischerdorf Princess’ Town gelegen. Wir sind die einzigen Besucher in dem 3000 Einwohner Dorf. Da wir am späten Sonntagnachmittag ankommen und es nach unsrer Besichtigung keinen Rücktransport mehr gibt übernachten wir für 2€ in der Suite der Burg, mit Blick auf Meer und das in einer Lagune gelegene Fischerdorf und fühlen uns wie Könige für einen Tag. Doch wir können nicht allzu lang verweilen, denn wir wollen mehr Burgen und Schlösser sehen, also geht es weiter zum Fort Metall Cross in Dixcove, eine 1692 von Briten erbaute Sklavenburg. Die ist auch sehr interessant wird allerdings durch einen spektakulären Fischfang etwas in den Schatten gestellt. Gerade als wir am Hafen ankommen, ziehen Fischer einen Hai an Land. Mit der Machete wird er kleingemacht, immer wieder ziehen sie weitere Fische aus seinem Magen, zunächst denken wir, dass der Hai sie gefressen hat, sie sehen jedoch alle gleich aus, wir kapieren und die Fischer erklären uns stolz, dass sie neben dem großen Hai 15 Babyhaie gefangen haben, eine unerwartete Einnahme, ein großer Tag für die Fischer!




Großer Fang am Hafen von Dixcove


Wer ist eigentlich Sebastiao?

Doch keine Zeit zum Trauern, weiter geht es zur nächsten Burg: Fort Sao Sebastiao in Shama, einem Fischerdorf, noch kleiner als Princess’ Town, hierher verirren sich nur wenige Touristen, kurz nach unsrer Ankunft werden wir von Scharen von Kids umlagert, alle möchten sie uns ihr Dorf zeigen, wir ziehen also mit 20 bis 30 Kids durch die Straßen, wir kommen gerade rechtzeitig zum Ende einer Beerdigung, es stehen große Lautsprecherboxen auf der Hauptstraße, heute fahren keine Autos mehr, es wird erstmal getanzt und gefeiert.
Am Abend treffen wir den Führer des Forts Sao Sebastiao, Mister Mensah (in den nun fast 8 Monaten Ghana die erste Person, die sich mit Nachnamen und Mister vorstellt) und machen mit ihm eine Besichtigung für den frühen nächsten Morgen ab. Fast wie vereinbart erscheinen wir am nächsten Morgen am Fort (so 11 Uhr ist ja fast noch früher Morgen), doch Mister Mensah lässt auf sich warten, da dass Fort nicht abgeschlossen ist erkunden wir es auf eigene Faust und drücken uns so nicht nur um den Eintritt, sondern auch um eine Führung, die mich gerade hier echt interessiert hätte, jetzt werde ich nie erfahren wer eigentlich Sao Sebastiao war, nachdem das Fort benannt wurde. Bestimmt - reden wir uns ein, während wir auf den Mauern des Forts sitzen und vergeblich auf Mister Mensah warten - war Sebastiao ein cooler Pirat, so einer von den guten, Robin Hood mäßig unterwegs, ließ die Armen in seinem Fort übernachten und hatte sicherlich nix mit Sklavenhandel am Hut.
Ein paar Stunden später, wir sitzen im Bus auf dem Weg zum letzten Castle, klingelt mein Handy: „I think you know who you are talking to“ „Nee, weiß ich nich, who’s there?“ „It’s Mister Mensah, the caretaker of the fort…I heard you visited the fort without me! “ “Oh, yes, sorry, we were late but actually we left the town…” “You left? You…” Leider wurde der Empfang plötzlich ganz schlecht und ich verstand die letzten Worte von Mister Mensah nicht mehr. Schade, war er doch bestimmt gerade dabei mir zu erklären, wer denn jetzt eigentlich dieser Sebastiao war.

Ausblick von Fort San Sebastiao


Das letzte Castle, dann Elmina Castle, bei Cape Coast. Das größte und sicherlich beeindruckendste Castle unsrer Reise, doch in Gedanken immer noch irgendwo zwischen Babyhaien und Sebastiao nehme ich Elmina Castle nur bedingt wahr, bald sitzen wir schon wieder in einem Trotro auf dem Weg zurück nach Accra, mein rechter Nachbar fragt mich nach meinem Piercing, Nein, danke, dass Du nachfragst, aber es hat nicht wehgetan, ich lehne mich zurück, wir fahren ein paar Stunden und hinein in einen spektakulären Sonnenuntergang, zurück auf dem Campus gibt’s erstmal einen Café.

Paa Nii’s Engagement – Verlobungsfeier in Newtown

Sonntag blieb Paa Nii’s Friseursalon ausnahmsweise geschlossen, denn Sonntag wurde gefeiert. Verlobungsfeier von Paa Nii und seiner Freundin Gifty in Newtown.
Heute mal wieder wenig Text und ein paar Bilder.


Paa Nii und Gifty werden von den Small-Small Kids in den Hof begleitet.

Performance der Small-Small Kids.
Mit Stine und Itche kurz vor Ende der Party.

Montag, 1. September 2008

Drumming & Dancing

Zwei bis drei mal die Woche gehe ich nach Newtown. Newtown zählt neben Nima zu den ärmsten Vierteln Accras, offene Abwasserkanäle schlängeln sich durch das dicht besiedelte Viertel. Tagsüber ist es verhältnismäßig ruhig, sobald jedoch die Sonne untergeht wird Newtown zum busy place. Straßenverkäufer an jeder Ecke, Lonely Planet hat ausnahmsweise mal wieder Recht, das soziale Leben spielt hier nicht im Haus hinter verschlossenen Türen, sondern draußen auf der Straße: hier trifft man sich zum Quatschen, Kleider waschen, wasweißich… hier fühle ich mich wohl.

Mit Paa Nii und Blaboy zum Calabashplace

Angefangen hat mein Newtown-Abenteuer Ende April, Anfang Mai. Kumi, eine japanische Austauschstudentin, mit der ich den gleichen Drummingkurs an der Uni besuchte, erzählte mir von einer Culture Group: „Hier wird getrommelt und getanzt, komm doch mal mit!“ Machte ich, und seit sie mir bei meinem ersten Besuch eine Cowbell in die Hand gedrückt haben und sagten: „Spiel mal!“ haben es mir Naomi, Dennis, Mavis, Kojo, Jennifer, Blaboy, Felicia, Culture, Agnis, Anthony und Paa Nii angetan, kaum eine Woche vergeht, in der ich nicht mindestens einmal in Newtown vorbeischaue.
Mein Kumpel Paa Nii hat nen Friseursalon (1561) in Newtown, gewöhnlich schaue ich dort gegen Nachmittag vorbei, Blaboy, gerade arbeitslos, ist meistens auch schon da und liest Zeitung, gemeinsam warten wir bis die letzten Kunden gegangen sind, dann schließt Paa Nii seinen Shop und wenn wir noch genügend Zeit haben schauen wir beim Calabash-Place vorbei. Dort gibt es „African Beer“, gebraut aus Millet; ohne Kohlensäure und lauwarm trinkt man die Brühe aus Holzbechern.

Pünktlich zum Training

Dann geht’s zum Training, wir schauen, dass wir pünktlich da sind, was das genau heißt, weiß ich bis heute eigentlich nicht, es gibt keinen offiziellen Trainingsbeginn, man trifft sich halt am späten Nachmittag.
Am Trainingground angekommen bekomme ich oft für ungefähr ne halbe Stunde Drumming-Unterricht. Dennis, Blaboy oder Kojo nehmen sich Zeit und bringen ausreichend Geduld mit, mir die unterschiedlichsten Drummingrhythmen beizubringen.
Beginnt das offizielle Training ziehe ich mich etwas zurück, übernehme die zweite oder dritte Cowbell und bestaune Tanz- und Trommelkunst.
Letzten Ausflug dann Ausflug mit der Culture Group und Erica und Gabbie. (mit Erica, Gabbie, Kojo, Naomi und ca. 20 weiteren Mitfahrern auf dem Weg zur Hochzeit P8171848)Ziel: eine Beachside im Osten Accras, hier performt die Culture Group auf einer Hochzeit, wir machen erst einen auf Roadie, schleppen Trommeln und Kostüme, mischen uns anschließend so lange unter die Hochzeitsgäste bis wir nicht mehr weiter auffallen und feiern mit. 913 877 906 988


Volunteer auf dem Campus

Nun also doch, seit fast einem Monat bin ich wieder zurück in Accra, zurück an der Uni, zurück auf dem Campus. Meinen ursprünglichen Plan, der darin bestand ein Semester zu studieren und das zweite Halbjahr als Volunteer zu arbeiten, habe ich eigentlich schon nachdem ich wenige Wochen auf dem Campus verbracht habe verworfen, relativ schnell war klar, dass ich das zweite Halbjahr auch an der Uni verbringen werde.
Mein schlechtes Gewissen, keine Freiwilligenarbeit zu leisten, nicht aktiv als Volunteer tätig zu sein, versuche ich durch kleine selbst inszenierte Volunteerprojekte zu beruhigen. Das erste und dringlichste Projekt trägt ungefähr den Namen „Relax, take it easy!“ die Hauptaufgabe besteht darin, aufgebrachte, etwas verwirrte, gerade in Ghana angekommene Austauschstudenten aus den USA zu beruhigen. Dieses Semester hat sich die Europafraktion mit 8 Norwegern, weiteren 7 Deutschen, zwei Tschechen und einem Schweizer zwar leicht vergrößert, die USA stellt mit über 200 Studenten jedoch weiterhin die Mehrheit unter den internationalen Studenten.

"Ja, Du kannst auf dem Campus beide Ohrstöpsel Deiner Kopfhörer verwenden, no worries! (Wer hat eigentlich diesen Quatsch mit einem Ohrstöpsel erfunden?).
Nein, es gibt kein Recyclingsystem in Ghana, achte einfach drauf, dass Du möglichst all Deinen Müll in einen Mülleimer wirfst, dann ist das schon in Ordnung.
Und wenn Du gerne auch ein paar ghanaische Freunde hättest, dann hör endlich auf Fufu mit Löffel zu essen und benutz doch bitte wie jeder normale Mensch Deine rechte Hand, wozu ist die denn sonst bitte da?"


Nachdem dann alle beruhigt und angekommen sind nutzt man die freie Zeit um ein wenig zu feiern. Party wird hier in Accra gewöhnlich Mittwochabend gemacht, Reggaeparty in Labadibeach, ich zeige Erica, Gabbie aus Kalifornien und Pascal aus der Schweiz wie man sich davor drückt 3 Ghanacedi Eintritt zu zahlen. Ein paar hundert Meter entfernt vom offiziellen Eingang gibt es ein Loch in der Mauer, die den Strand vom Landesinnern trennt. Nimmt man diesen Weg und einen 15minütigen Strandspaziergang in Kauf und läuft nicht dubiosen Security in die Arme (die man normalerweise mit einem Cedi schmieren kann, somit hat man sich mit den ersparten 2 Cedi ein Freibier auf der Beachparty verdient!), hat man das Ziel erreicht. Hier spielen wie’s sich gehört legendäre Bob Marley Coverbands, hier gibt’s Drumming und Dancing und dazu Strand, what else?