Donnerstag, 24. Juli 2008

Sind wir schon Da kar?

Donnerstag morgen, kurz vor 9 auf dem Hauptbahnhof in Bamako. Jonas und ich albern auf dem Bahnsteig herum, schiessen Tourifotos vor dem Zug, als dieser um 9:15 zum ersten mal hupt. Kurze Zeit spaeter ertoent das laute Signal zum zweiten mal und der Zug faehrt ab. Wir packen unsre Kameras ein, rennen nebenher, springen auf und ich frage Jonas verdutzt: "Sind wir grade puenktlich losgefahren?"
Zwei Tage zuvor hatten wir beide noch gelacht als der Ticketverkaeufer ankuendigte: "Abfahrt 9:15, bitte puenktlich da sein!" Jaja, vor 10,11 Uhr fahren wir doch eh nicht los, unsre coole Reaktion. Denkste.

Saubere Kleider und top motiviert, kurz vor der Abfahrt

Vor uns und um uns
Nun sitzen wir also im vorletzten Waggon, gluecklicherweise in Fahrtrichtung und mit Fensterplatz. Vor uns 1200 km bis Dakar, neben uns sitzen Abdu, ein Verkaeufer aus einer senegalesischen Grenzstadt oder Ibim Tal, ein Strassenjunge /bzw. -jugendlicher, der auf einer Bank vor der grande mosquée in Dakar wohnt und weissnichtwie das Geld fuer das Ticket aufgetrieben hat oder auch Daphne aus Toronto, die auch in Ghana studierte, sich unsrem Team anschliesst und spaeter noch ein paar Tage mit uns in Dakar verbringen wird. Pause mit Abdu, Daphne und Jonas

Erstes Highlight

Nach etwas mehr als einer Stunde Fahrt kuendigt sich zunaechst heimlich und still das erste Highlight an. Schon etwas vor mich hindoesend beobachte ich ein paar Jungs, die gerade dabei sind am Ende unsres Waggons aufs Dach zu klettern. Keine fuenf Minuten spaeter, wir fahren durch eine nicht besiedelte Steppenlandschaft, bremst der Zug, stopt. Vier Jungs springen vom Dach, versuchen zu fliehen, hinterher bis zu 15 Poilizisten. Einer der Jungs bleibt an einer Wurzel haengen, ueberschlaegt sich, zwei Polizisten halten ihn fest. Auch die anderen Fluechtigen werden nach zehnminuetuger Verfolgungsjagd - die sich in unmittelbarer Naehe unsres Fensters abspielt - von den Polizisten eingefangen und zurueck zum Zug gebracht.
Nach dem Erfolg feiern sich die Polizisten, pfluecken hier wachsende Kakaoschoten und lutschen die sauren Kakaobohnen. Der Zug haelt insgesamt zwei Stunden - Zeit um verschiedene Diebe-/ Schwarzfahrer- und Drogendealertheorien zu diskutieren - es soll nicht der letzte Stop gewesen sein. Polizist kletter aufs Dach - Zeit zum Spazieren

Stop and Go
Gegen Nachmittag ein weiterer Zweistundenstop in Kita, da wir auf den entgegenkommenden Zug warten. Abdu laedt uns auf ne Runde gekochte Eier ein und schwaermt vom senegalesischen Kaffee Touba, verachtend redet er ueber den Café in Mali, Burkina, Ghana: "Nescafé? ça me fait mal au coeur!"
Der Zug tuckert weiter, irgendwann wahrscheinlich gegen 19 Uhr wirds dunkel, was nicht stimmt; da Vollmond und fast tageshell. Wir setzen uns an die offene Tuer (kann man sich in einem Zug der Deutsch Bahn folgende Situation vorstellen: Jonas hat kein Feuerzeug also fragt er den Schaffner: Entschuldigung, kann ich mir mal bitte Dein Feuerzeug ausleihen ich wollt kurz die Tuer aufmachen um eine zu rauchen?) und betrachten den Vollmond um den einregenbogenfarbiger Film liegt. Der Zug wird immer langsamer, kurz vor der Grenze fahren wir in Schrittgeschwindigkeit.

Neue Lok, neues Glueck

Gegen 7,8 oder 9 Uhr erreichen wir die Grenze zu Senegal, das geht schnell hier, da wir als Europaer kein Visum brauchen, wir halten nur 2,3 Stunden. Dann Grenzkontrolle bei fahrendem Zug, sehr streng, in unsrem Waggon werden alle Koffer durchsucht, bis auf unsre natuerlich. Dann erreichen wir immer noch in Schrittgeschwindigkeit kriechend Tambacounda, kurzer Stop von fuenf Stunden, Geruechte ueber einen Drogenfund gehen um dann doch die Wahrheit: Lokomotive kaputt, muss ausgetauscht werden. Der Senegal ist ueber 90% muslimisch, dennoch entdeckt Jonas in der Naehe des Bahnhofs eine Kneipe in der man Maisbier ordern kann, das macht das Warten ertraeglicher. Kurze Teepause nach der Grenzkontrolle

Komplott der Dorfbewohner?
Dann Weiterfahrt mit neuer Lok, so schnell, es kommt uns fast wie Fliegen vor, doch bevor wir abheben landen wir wieder auf dem Boden der Tatsachen: 250 km vor dem Ziel entgleist der Zug, verdutzt steigen wir aus und laufen in die Arme von Dorfbewohnern die bestens vorbereitet bereits kleine Tische bereitgestellt haben, Baguette und Café Touba anbieten. Geruechte in denen Dorfbewohner, Komplott und Gleisverstellung oft im gleichen Atemzug genannt werden machen die Runde, koennen bis zur Weiterfahrt jedoch nicht bewiesen werden.
Vom hoch gepriesenen Café Touba bin ich noch nicht gaenzlich ueberzeugt, nachdem wir den ersten bestellt haben beschwere ich mich: "He, Abdu, ich habe doch Kaffee bestellt, keinen Tee." Abdu lacht, "nein der schmeckt so, Du gewoehnst Dich dran". Ich hoffe doch.
Die weitere Zugfahrt verlaeuft routiniert und planmaessig: ein bisschen Fahren, ein bisschen Stehenbleiben und Warten. Ich hab mich dran gewoehnt, lehne mich zurueck und schliesse ab und zu die Augen, geniesse dann wieder die duenn besiedelte Landschaft des Senegals. So vergehen insgesamt drei Tage und zwei Naechte. Samstag Abend erreichen wir nach ueber 62 Stunden Fahrt Dakar. Ein letztes mal springen wir vom Zug.

Ein letzter Stop kurz vorm Ziel - Entgleisung mit Sonnenaufgang

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Wann biste denn wieder in Ghana? Musst mir dann mal deine Adresse schicken, weil das neue Kicker-Sonderheft is raus ;-)
Gruß
Sebastian

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